Spital Wetzikon meldet provisorische Nachlassstundung an – Spitalführung beteuert: Der Betrieb läuft normal weiter

Die Wetziker haben nun vier Monate Zeit, um ihr 170-Millionen-Franken-Problem zu lösen. Die Aktionärsgemeinden sind «in Sorge um die Gesundheitsversorgung in der Region».

Jan Hudec 4 min
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Für die Finanzierung eines Neubaus hat das Spital Wetzikon Geld am Markt aufgenommen. Die Anleihe wurde ihm nun zum Verhängnis.

Für die Finanzierung eines Neubaus hat das Spital Wetzikon Geld am Markt aufgenommen. Die Anleihe wurde ihm nun zum Verhängnis.

Christian Beutler / Keystone

Im Spital Wetzikon spitzt sich die Krise zu. Dem Spital wurde nun eine provisorische Nachlassstundung für maximal vier Monate vom Bezirksgericht Hinwil bewilligt. Bei einer Nachlassstundung handelt es sich um ein Instrument, das eingesetzt wird, um ein Konkursverfahren abzuwenden. Bewilligt wird dies nur, wenn die Situation eines Unternehmens nicht ohnehin schon völlig aussichtslos ist, wenn also zumindest noch eine Aussicht auf eine Sanierung besteht (siehe Infobox).

Das Spital verschafft sich damit nun Zeit, um eine Anschlusslösung für eine Anleihe von 170 Millionen Franken zu finden. Dieses Geld hat das Spital vor zehn Jahren aufgenommen, um einen Neubau zu finanzieren. Die Anleihe läuft am 12. Juni dieses Jahres aus. Dank der Nachlassstundung kann das Spital nun für die kommenden vier Monate von den Gläubigern nicht betrieben werden.

Die Spitalführung hatte bereits den Kanton Zürich ersucht, das Spital zu unterstützen. Dies lehnte der Regierungsrat allerdings ab. Am 4. April erklärte die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli, dass der Kanton das Spital als entbehrlich für die Gesundheitsversorgung erachte. Insofern könne der Kanton keine Unterstützung leisten. Neben dem Spital Wetzikon hatte auch das Kinderspital Zürich um eine Finanzspritze ersucht, die von der Regierung jedoch gewährt wurde.

Wetzikon hatte vor dem Gang zum Kanton bereits versucht, am Kapitalmarkt Geld für die Anleihe aufzutreiben. Dies scheiterte jedoch, weil das Spital über zu wenig Eigenkapital verfügte und die potenziellen Kapitalgeber auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens als zu angespannt betrachteten.

Spitalführung spricht von «intakten Chancen»

Trotzdem gibt sich die Spitalführung überzeugt, immer noch intakte Chancen auf die Refinanzierung der Anleihe zu haben. In der Medienmitteilung heisst es dazu, der Verwaltungsrat stehe in engem Kontakt mit Finanzpartnern und arbeite mit Hochdruck an einer Lösung. «Aufgrund der unterstützenden Gespräche mit den Aktionärsgemeinden sowie der laufenden Gespräche mit Investoren und Finanzpartnern sind wir zuversichtlich, dass das Spital nach der provisorischen Nachlassstundung wieder auf einem stabilen Fundament stehen wird.» So lässt sich der Verwaltungsratspräsident Jörg Kündig zitieren.

Trotz der Nachlassstundung werde der Spitalbetrieb in den nächsten Monaten ganz normal weiterlaufen. Das Unternehmen verfüge über genug Liquidität und agiere erfolgreich am Markt. Sowohl die Löhne der Mitarbeitenden als auch Zahlungen an Lieferanten und Partner seien gesichert.

Vom Bezirksgericht wurden zwei Rechtsanwälte als Sachwalter eingesetzt: Brigitte Umbach-Spahn und Stephan Kesselbach. Ihre Aufgabe besteht nun darin, die finanzielle Lage des Spitals und die Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung zu beurteilen. Zudem müssen sie dafür sorgen, dass die Interessen der Gläubiger – namentlich Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten sowie Darlehens- und Kreditgeber – gewahrt werden.

Um den Betrieb besser aufzustellen, hat das Spital Sparmassnahmen ergriffen. Dadurch hätten die Sach- und Personalkosten im ersten Quartal 2024 schon deutlich reduziert werden können, schreibt das Spital. Eine Analyse und ein Plausibilisieren des Businessplans des Spitals durch «einen namhaften Wirtschaftsprüfer» hätten die «guten Wachstumschancen bestätigt». Voraussetzung dafür ist freilich, dass es gelingt, eine Lösung für das Problem mit der 170-Millionen-Franken-Anleihe zu finden.

Gemeinden: «Entwicklung war leider zu befürchten»

Die zwölf Aktionärsgemeinden des Spitals haben am Donnerstagmorgen per Medienmitteilung ihre Sorge kundgetan. «Die Aktionärsgemeinden bedauern zutiefst, dass keine Lösung ausserhalb des Nachlassverfahrens zur finanziellen Sanierung des Spitals gefunden werden konnte.» Diese Entwicklung sei seit Bekanntgabe der massiven Finanzprobleme des Spitals leider zu befürchten gewesen. Sie seien «in Sorge um die Gesundheitsversorgung in der Region».

Bereits Anfang April hätten die Gemeinden einen gemeinsamen Ausschuss ins Leben gerufen. Dies mit dem Ziel, alle möglichen Vorkehrungen zu treffen, damit die Gesundheits- und Notfallversorgung im Zürcher Oberland gewährleistet bleibe.

Der Rettungsdienst ist gemäss Gesetz eine kommunale Aufgabe. Sollte der Rettungsdienst zu einem späteren Zeitpunkt von der Nachlassstundung betroffen sein, seien sämtliche Aktionärsgemeinden bereit, die Regio 144 AG im Bedarfsfall kurzfristig und unbürokratisch mit finanziellen Mitteln zu versorgen, heisst es in der Medienmitteilung.

Nachlassstundung kurz erklärt

jhu. Die Nachlassstundung ist ein im Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes geregeltes Sanierungsinstrument. Bei einer provisorischen Nachlassstundung wird ein Unternehmen für zunächst maximal vier Monate unter Gläubigerschutz gestellt. In dieser Zeit kann das Unternehmen für Forderungen, die vor der Nachlassstundung entstanden sind, nicht betrieben werden. Das Instrument verschafft dem Unternehmen damit etwas Luft, um Sanierungsmassnahmen zu prüfen und umzusetzen und allenfalls einen teilweisen Erlass seiner Schulden zu erwirken.

Zeigt sich während der provisorischen Nachlassstundung, dass Aussicht auf vollständige Sanierung besteht oder ein Nachlassvertrag mit einem teilweisen Schuldenerlass möglich ist, bewilligt das Nachlassgericht auf Antrag des Unternehmens eine definitive Nachlassstundung. Damit erhält das Unternehmen bis zu 24 Monate Zeit, um das Sanierungskonzept umzusetzen.

Ziel der Nachlassstundung ist die vollständige Sanierung und Weiterführung des Unternehmens oder zumindest von Teilen davon. Gelingt die Sanierung nicht, ist allerdings auch eine Liquidation des Unternehmens ein mögliches Ende.